Gemeinsamkeiten von ZeroCovid-, der Klima- und der Arbeiter*innenbewegung
Von Bea Sassermann
Die Klimabewegung stützt sich auf wissenschaftsbasierte Analysen des Zustands unseres Planeten. Fridays for Future fordert, auf die Wissenschaft zu hören. Die Scientists for Future unterstützen die Klimabewegung und verleihen ihr Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Auch ein Teil der Arbeiter*innenbewegung im weitesten Sinne beruft sich auf eine wissenschaftliche Herangehensweise bei der Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Er vertritt die Meinung, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem von Gesetzmäßigkeiten getrieben ist, die Mensch und Natur zu auszubeutenden Objekten macht. Dadurch unterscheidet er sich von utopischen und rein moralischen Betrachtungen.
Auch die ZeroCovid-Kampagne greift Erkenntnisse aus Virologie, Epidemiologie, Intensivmedizin und solche der Klinik-Beschäftigten auf, um die Gesundheitspolitik sowohl der Vergangenheit als auch aktuell in der Corona-Krise zu bewerten. Damit wurde ZC zur überfälligen Alternative zu Querdenkern und rechten Bauernfängern.
In der Klimabewegung richten sich die meisten Forderungen an Regierung und Unternehmen: Einhaltung der Klimaabkommen, Ende der Kohle, Mobilitätswende, Abschalten der Atomkraftwerke – der Adressat ist die Regierung, die das in Gesetze bzw. Verbote gießen soll. Erkämpft werden diese Zugeständnisse häufig durch Druck von unten: Bagger- und Waldbesetzungen, Demonstrationen und einer gewissen Selbstermächtigung, die z.B. auf KlimaCamps ein- und ausgeübt werden. Einer ihrer Slogans „System Change statt Climate Change“ will sagen, dass es um Grundsätzliches geht.
So ist es auch in der antikapitalistischen Arbeiter:innenbewegung. Es gibt Forderungen auf allen Ebenen, die auf kurz- mittel- und langfristige Veränderungen zielen, von der Arbeitssicherheit, der Lohnerhöhung über Arbeitszeitverkürzung, „Weg mit Hartz IV“ bis hin zur Infragestellung der Eigentumsverhältnisse. Es wird mit den Mitteln der Verhandlung, des Streiks und Demonstrationen agiert. Adressaten sind Betriebsräte, Gewerkschaften und auch der Staat.
ZeroCovid agiert ähnlich. Es gibt unmittelbare Forderungen an die Politik, Gewerkschaften und Betriebsräte, um an der Misere in Krankenhäusern, Pflegeheimen und in den Betrieben und Büros unmittelbar an der miserablen Lage etwas zu verbessern. Aber allen ist klar, dass es weiterreichender Maßnahmen bedarf, um das Wohlergehen der breiten Mehrheit der Bevölkerung dauerhaft zu garantieren. ZC wendet sich gegen die Privatisierung des Gesundheitssystems, die weiteren Schließungen von Krankenhäusern, die in jeder Hinsicht ungesunden Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte. Darüber hinaus wird die solidarische Verteilung der Impfstoffe, das Teilen des Wissens für die Produktion von Impfstoffen und Medikamenten gefordert. Verlangt wird auch die Absicherung von Einkommen, damit Menschen sich nicht in riskanter Umgebung am Arbeitsplatz und in Verkehrsmitteln bewegen müssen. ZC sieht sich auch als Gegengewicht zur Instrumentalisierung der Krise durch die Rechte. Angesichts der internationalen Dimension der Pandemie werben wir für eine internationale Bewegung.
Obwohl die Gemeinsamkeiten offensichtlich sind, und auch von der Klimabewegung wahrgenommen werden, wird ZC aus der Linken heraus z.T. heftig kritisiert. Die Kampagne würde dasselbe wie die Regierung vertreten und autoritäre Maßnahmen gutheißen. Dies verbunden mit einer Wissenschaftsfeindlichkeit bis hin zur Relativierung der Pandemie. Nicht zur Kenntnis genommen wird unsere Alternative zu den offiziellen Maßnahmen, die die Unternehmen außen vor lassen. Dass aus all dem resultiert, solidarisch und durch Verzicht einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten, kommt einigen nicht in den Sinn. Dies ist jedoch auch bei vielen Forderungen der Klimabewegung notwendig.
Bitter ist, dass dies nicht nur ein Meinungsstreit ist. Die Verzögerung von wirkungsvollen Maßnahmen kostet Menschenleben und produziert massenhaft Leid. Die Linke hat angesichts dieser Herausforderung bisher ziemlich versagt. Nutzen wir die Chance in der Krise, das Gemeinsame zu suchen und produktiv werden zu lassen. Dann können wir etwas bewegen.
Beatrix Sassermann, ver.di-Mitglied, Gewerkschafterin für Klimaschutz und bei ZC