Bund-Länder-Gipfel: “Grundstein für dritte Welle wird gelegt”
Protest vor Bundeskanzlerinnenamt +++ #ZeroCovid Kampagne erhält hunderte schockierende Berichte aus Arbeitswelt +++ Fast 100.000 Menschen unterschreiben Aufruf für Wirtschafts-Shutdown +++ Kritik an schleppendem Impfstoffausbau wächst
Die #ZeroCovid-Kampagne warnt mit einer Kundgebung am Bundeskanzlerinamt am Mittwoch vor einer zweiten Pandemie. „Die Mutationen breiten sich weiter aus und schwächen die Wirkung von Impfstoffen. Um eine katastrophale zweite Pandemie zu vermeiden und die noch viel zu hohen Sterbezahlen schnellstmöglich zu senken, brauchen wir sofort einen solidarischen Shutdown für die Wirtschaft. Alle nicht lebensnotwendigen Produktions- und Dienstleistungsbereiche müssen heruntergefahren werden”, sagt Gizem Fesli von der #ZeroCovid Kampagne.
Den Stufenplan für schrittweise Lockerungen spätestens ab März, der im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels diskutiert wird, lehnt #ZeroCovid ab. „Anstatt Schulen bald zu öffnen, müssen Betriebe und Büros bei vollem Lohnausgleich geschlossen werden. Während die Einschränkungen des Privatlebens extreme Ausmaße annimmt, müssen die Menschen weiter zur Arbeit gehen und setzen sich dort teilweise einem nicht vertretbaren Ansteckungsrisiko aus”, ergänzt Fesli. Die Kampagne hat in den vergangenen Tagen unter dem Hashtag #CovidAtWork hunderte schockierende Berichte aus der Arbeitswelt erhalten. Sabine Teng aus der Kampagne fasst die Berichte zusammen: „Überfüllte Pausenräume, Besprechungen ohne Hygiene-Maßnahme, verweigertes Home-Office, Kündigungsdrohungen von Chefs bei Einfordern von Hygiene-Konzepten, Schwangere, die entgegen ärztlichem Rat Präsenz-Lehre machen müssen, oder Angehörige von Risikogruppen, die mit 80 Kolleg*innen im Großraum-Büro sitzen: So kann eine Pandemie nicht gestoppt werden”.
Auch in Bereichen wie dem Einzelhandel und den Friseur-Salons, die spätestens ab März geöffnet werden sollen, sieht es laut den Berichten nicht gut aus: „Wir hören von überbelegten Friseur-Salons, von Supermarkt-Mitarbeitenden, die keine FFP2-Masken tragen dürfen und von Baumärkten, in denen weiterhin Privatkunden zugelassen werden”, so Teng. Einen kleinen Auszug aus den übermittelten Berichten aus der Arbeitswelt finden Sie als Anhang am Ende dieser Pressemitteilung. Viele der Berichtenden stehen für (anonyme) Interviews zur Verfügung.
Die Öffnung von Schulen, die in manchen Bundesländern bereits voranschreitet, bewertet #ZeroCovid ebenfalls kritisch. „Auch in England breitete sich die Mutation zunächst an den Schulen aus, bis es zu einer neuen Welle kam“, sagt Gizem Fesli. „Schüler*innen und Arbeitnehmer*innen, die aus Sorge um ihre Gesundheit streiken, haben daher unsere volle Unterstützung“, so Fesli weiter.
#ZeroCovid verweist zudem auf den beim Gipfel diskutierten Auslieferungsplan für Impfstoffe: „Der Produktionsausbau darf nicht länger gebremst werden – weder durch Monopole einzelner Unternehmen, noch durch Fixierung auf bloß deutsche oder europäische Produktionsstandorte. Wir brauchen Kooperation und Technologietransfer über die Grenzen von Unternehmen und Ländern hinweg”, sagt dazu Gizem Fesli. Die Kapazitäten wären laut #ZeroCovid nötig, um Escape-Mutationen zu begegnen, die bereits jetzt den im europäischen Impfplan zentralen AstraZeneca-Impfstoff unwirksam machen. Eine bloße Verlagerung der Pandemie in den globalen Süden, welche immer neue Escape-Mutationen hervorruft, müsse vermieden werden.
#ZeroCovid fordert einen europaweiten, solidarischen Shutdown mit dem Ziel, die Neuinfektionen auf Null zu drücken und so die Pandemie nachhaltig zu überwinden. Zur Finanzierung sollen Sonderabgaben auf Unternehmensgewinne und sehr hohe Vermögen erhoben werden. Den Aufruf der Kampagne #ZeroCovid haben mittlerweile knapp 100.000 Menschen unterschrieben.
Homepage der Kampagne mit Erstunterzeichner*innen: https://zero-covid.org
Online-Petition: https://weact.campact.de/p/ZeroCovid
Facebook: https://www.facebook.com/ZeroCovidGerman
Twitter: https://twitter.com/zeroCovid_DACH
Instagram: https://www.instagram.com/zerocovid_de
Bei Interviewanfragen können Sie sich auch immer gerne an wenden.
Anhang:
Berichte aus der Arbeitswelt
Die ZeroCovid-Kampagne hatte in den letzten Tagen zur Hashtag-Kampagne #CovidAtWork aufgerufen. In diesem Zuge wurden der Kampagne über die sozialen Medien sowie über E-Mail hunderte Berichte aus der Arbeitswelt zugesendet, die im Folgenden auszugweise veröffentlicht werden. Bei Interesse an Interviews bemühen wir uns, den Kontakt zu den Berichtenden herzustellen.
Bericht einer Friseurin:
“Trotz Auflagen wurden von Anfang an „Ausnahmen” gemacht, Belegungszahl gnadenlos überschritten, kranken Kleinkindern die Haare geschnitten, Kunden wurden nicht auf Maskenpflicht hingewiesen, Abstände können bei der Raumaufteilung nicht wirklich eingehalten werden. Nachdem die Berufsgenossenschaft den Kaffee aus Pappbechern erlaubt hat, saßen die Kunden mit der Maske am Ohr und der Gala in der Hand da. Begründet wurde dies mit der Aussage, wir seien Dienstleister, da könne man „nicht so sein.”
Berichte aus dem Einzelhandel:
In Baumärkten ist der Eintritt für Privatkund*inen untersagt. “Dies wird von der Geschäftsleitung bewusst ignoriert. Privatkunden wird heimlich erzählt, dass es ja “Hintertürchen und Grauzonen” gebe.”
Aus einem anderen Baumarkt:
“OP-Masken (billig-Import) gibt’s eine pro 8-Stunden-Schicht, manche MitarbeiterInnen tragen aber auch tagelang die selbe. Desinfektionsmittelspender werden zu einem Drittel mit Reinigungsbenzin gestreckt, aus Kostengründen. Aber halb so schlimm, das Desinfektionsmittel selbst ist ohnehin nicht gegen Coronaviren geeignet, sondern wirkt antibakteriell. Kontaktflächen werden nur auf Eigeninitiative desinfiziert. Das Ergebnis: 20 Personen in Quarantäne, 5 positiv, 3 schwere Verläufe, 1 Verlauf mit massiven, bleibenden Nierenschäden. Dafür 2020 den besten Umsatz seit Jahren.“”
“Meine Erfahrung mit dem Covid-Jahr auf Arbeit: Abstände werden weder von KundInnen, noch von KollegInnen eingehalten.”
“Jeden Tag habe ich ungewollt Kontakt mit mehreren hundert Menschen, die sich oft nicht an die Masken- oder Abstand regeln halten und muss sie darauf hinweisen und mir dann irgendwelche dummen Sprüche anhören. Einige fangen sogar an zu beleidigen.”
Bio-Supermarkt:
“Wir müssen die Kundschaft ohne OP-Maske/FFP2-Maske des Geschäfts verweisen. Wir selber sollen aber keine FFP2-Masken tragen, da wir sonst zu häufig Pause machen müssten. […] Im Pausenbereich und im Büro der Filialleitung sitzen weiterhin alle ohne Maske miteinander.”
Bericht aus der Pflege:
“Ich mache die Ausbildung zur Pflegeassistentin und habe ein Praktikum in einer stationären Langzeitpflegeeinrichtung hinter mir. Dort habe ich gesehen, dass Bewohner die covid-positiv waren und mit anderen Personen im Zimmer gewohnt haben, nicht (!) isoliert wurden, weil es die Kapazitäten nicht gab. Man hat die Menschen gemeinsam im Zimmer gelassen und quasi zugesehen, wie sich die andere Person ansteckt.”
Bericht aus dem Öffentlichen Dienst:
“Unser Institut bekommt es auch seit Monaten nicht auf die Reihe, die Leute ins analoge Homeoffice zu schicken, obwohl keine/kaum Proben zum Bearbeiten da sind.”
Berichte aus Werbeagenturen:
“Im Büro wird keine Maske getragen. Auch Besprechungen und sogar Kundentermine finden ohne jegliche Schutzmaßnahmen statt.”
“Ich arbeite u.a. als freiberuflicher Grafiker in einer Werbeagentur. Auf einem Schreibtisch steht privat ein 50 ml Fläschchen Desinfektionsmittel. Von der Geschäftsführung kommt: Kein Abstand, keine Masken, keinDesinfektionsmittel, kein Lüften. Also alles wie vor der Pandemie.”
Bericht aus einem Unternehmen:
“Es macht mich immer noch sprachlos, da ich im Kulturbereich in einem Unternehmen tätig bin, in der sich am laufenden Band über die „Restriktionen” der Regierung beschwert und die Pandemie verharmlost oder gar ignoriert wird. Ich selbst gehöre zur Risikogruppe, was bei mir im Unternehmen alle wissen. Trotzdem gilt Anwesenheitspflicht an bestimmten Tagen der Woche. […] Während der Meetings hält sich niemand an die Hygienemaßnahmen – beim Betreten morgens kein Lüften, kein Händewaschen, kein Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Es werden Mitarbeiterinnengeburtstage gefeiert als gäbe es gar keine Pandemie. In einem ungelüfteten Raum saßen wir mit knapp 10 Personen dicht an dicht für eine Stunde beisammen.”
Bericht aus einem Büro:
“Ich arbeite in einem CallCenter. Dort sind in Peak-Zeiten bis zu 80 Leute im Großraumbüro. Etliche Kontakte also, im Pausenraum sitzen immer mehrere Menschen, Abstand nicht wirklich gegeben. Wir hocken fast aufeinander, Masken werden am Arbeitsplatz abgenommen, also Maskenpflicht nur auf dem Gang […]. Es ist sehr sehr problematisch, ich kann aber nicht kündigen . […] Es ist leider nur eine Frage der Zeit, bis ich dort an Covid erkranke (als Risikoperson nicht ganz so schön)”
Bericht aus einer Bank:
“Ich arbeite in einer Bank und die Beratungsräume werden kaum gelüftet oder desinfiziert. Die SB-Geräte werden gar nicht desinfiziert, fühlt sich wohl keiner zuständig. Medizinische Masken werden nicht gestellt und Kunden ohne medizinische Maske werden auch bedient”
Bericht aus einer Schule:
“Lehrerin, schwanger. Der Amtsarzt empfiehlt ausdrücklich, dass ich weder mit Kindern und Jugendlichen noch irgendwie im Präsenzbetrieb eingesetzt werden soll. Die Schulleitung plant mich für Kleingruppen vor Ort sowie für Sekretariatsaufgaben ein.
Bericht aus dem Handwerk:
“Bei mir in der Firma eines sehr großen Fahrradherstellers macht man sich lustig über die Maßnahmen. Dann bekommt man von einem Vorgesetzten zu hören dass “wir” masken nicht tragen sollen […]. Abstände gibt es so gut wie garnicht, Masken werden nicht richtig getragen und sonst sind zwei Desinfektionsspender für knapp 200-300 Leute.”