Unser Unterstützer Felix macht in seiner Schichtgeschichte eindrucksvoll deutlich, was 25 Jahre neoliberale Politik für den Gesundheitssektor und das Arbeiten unter COVID-Bedingungen bedeuten: Unterbesetzung, Überarbeitung bis an die Belastungsgrenze und Resignation.
»Kurz zu meiner Person, ich heiße Felix und arbeite auf einer Intensivstation in einem Akutkrankenhaus. Für mich heißt das seit dem Frühjahr somit auch, dass ich mich ob ich möchte oder nicht mit Covid19 auseinandersetzen muss. In unserem Team war relativ schnell klar, dass diese neuartige Erkrankung aggressiver war als alles was wir bisher kannten. Der Erholungsphase, welche wir zum Glück im Sommer hatten, ist nun schon lange die zweite Welle gewichen. Ich bin auch im Austausch mit Kolleg:innen anderer Häuser, es wird überall am Limit gearbeitet. Von den großen Versprechungen aus dem Frühjahr ist (wie erwartet) kaum etwas eingetreten. Das Erste was mir nun als “Kämpfer an vorderster Front” seit Beginn der Pandemie etwas Hoffnung gibt, ist diese Kampagne. Zu lange haben wir Kritik an den Maßnahmen den Schwurblern überlassen, welche das Virus nicht ernstnehmen oder gar leugnen. Covid19 ist Realität, bittere Realität.Ich hab zu viele Menschen gesehen, die auch nach Wochen nicht einmal genug Reserven in ihren Lungen hatten um sich aus ihrem Krankenbett an die Bettkante zu setzen, geschweige denn ein paar Schritte zu laufen. Auch junge Leute. Von der Influenza kenne ich sowas nicht.
Doch wieso müssen wir als Privatpersonen gefühlt allein dafür Sorge tragen, dass es sich nicht weiter ausbreitet? Ich bin ausdrücklich ein Freund der AHA-Regeln. Doch was sind diese wert, wenn sie nur für das Privatleben gelten und das Arbeitsleben genauso weiterläuft wie bisher? Klar gibt es positive Beispiele, doch diese sind nicht die Regel. ZeroCovid ist für mich ein Hoffnungsschimmer in einer profitorientierten Welt, in der wie es mir scheint nicht eine Sekunde darüber nachgedacht die Wirtschaft ebenso einzuschränken wie wir es tagtäglich leben.Was ist aktuell die Perspektive? Weiter so bis ins späte Frühjahr? Bis dahin wird es in meinem Berufsstand viele geben, die aufgeben werden. Schon aktuell ist der Alltag auf meiner Intensivstation nur möglich, weil Überstunden gemacht werden und Hilfe von anderen Stationen bzw. aus der Bevölkerung kommt. Ich kann mich nur wiederholen, es sind alle am Limit.
Dank ZeroCovid hab nun zum ersten Mal wieder Hoffnung, dass sich am Diskurs etwas ändert und es nicht mehr nur darum geht, das wenige Privatleben das uns noch bleibt, immer weiter runterzufahren. Das Ziel kann für mich nur Eindämmung auf Null heißen. Und verdammtnochmal, den Mensch über Profite zu stellen.
Felix
Habt ihr auch Erfahrungen aus der Arbeit unter COVID-Bedingungen? Sendet sie uns unter #Schichtgeschichten zu und wir veröffentlichen sie (auf Wunsch auch anonym).