Veranstaltung Globales öffentliches Gut mRNA-Impfstoff

Online-Diskussion am 17. Juni 2021, 19:00 Uhr, in Kooperation mit der Zero Covid Alliance.

Angesichts des stetigen Impffortschritts und zurückgehenden Fallzahlen ist das angebliche Ende der Pandemie in aller Munde. Was allerdings schon mit dem Blick auf Deutschland trügerisch ist, ist im Weltmaßstab bizarr: Im Süden der Welt – etwa in Lateinamerika – wütet Covid-19 ungebrochen weiter. Das hat nicht zuletzt mit der extrem ungleichen Verteilung von Impfstoffen und Technologie sowie der vollständig irrationalen Zurückhaltung beim Ausbau der Produktionskapazitäten und dem dazu notwendigen Technologietransfer zu tun.

Deutsche Synchronübersetzung auf YouTube

Über Auswege aus dieser Situation wollen wir diskutieren mit:

  • Dr. Martin Friede (Impfstoffforscher bei der WHO, Koordinator des vorgeschlagenen mRNA-Technologietransferknotens der WHO)
  • Zain Rizvi, J.D. (Public Citizen) und Dr. Zoltán Kis (Imperial College)
  • Elisabeth Massute (Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen)
  • Dr. Jeremy Rossman (Zero Covid Alliance, Virologe an der University of Kent)
  • Ottmar von Holtz (MdB Die Grüne, Mitglied im Entwicklungsausschuss und im Unterausschuss globale Gesundheit)
  • Eva-Maria Schreiber (MdB Die Linke, Mitglied im Entwicklungsausschuss)

Unser Schwerpunkt liegt dabei auf den spezifischen Potentialen der neuartigen mRNA-Impfstofftechnologie, der eine Schlüsselrolle in der Beendigung der Pandemie zukommen könnte: Die mRNA-Impfstoffe sind hochwirksam, nebenwirkungsarm, schnell an Mutationen anpassbar und der einfache, zellkulturenfreie Produktionsprozess erlaubt die Nutzung von Produktionsstätten, die für andere Impfstofftypen nicht infrage kommen. Internationale Organisationen wie die WHO und der IMF, aber auch das Europäische Parlament in seiner letzten Mittwoch verabschiedeten Resolution sehen daher im Ausbau der mRNA-Impfstoffproduktion eine entscheidende globale Aufgabe. Doch gerade für diese Impfstoffe werden bislang kaum Lizenzen an Hersteller in Schwellenländern vergeben. Hersteller verweisen besonders auf knappe Impfstoffe und den Aufwand des Technologietransfers.

3–4 Mrd. Dosen mRNA-Impfstoff werden bis Jahresende hergestellt worden sein – ein Großteil von ihnen ist bereits reserviert für die Länder des globalen Nordens. Das COVAX-Programm, das eine gerechte Versorgung mit Impfstoffen sicherstellen soll, hat bislang weniger als 2 Mio. Dosen des BioNTech-Impfstoffs erhalten und ist vor allem auf den in Deutschland nür für Über-60-Jährige empfohlenen AstraZeneca-Impfstoff angewiesen. Zahlreiche Länder des globalen Südens sind vor allem auf die Totimpfstoffe aus China und Indien angewiesen, die nur eine begrenzte Wirkung zur Eindämmung der Pandemie besitzen, wie Erfahrungen etwa in Chile oder auf den Seychellen zeigen. Vertreter der pharmazeutischen Industrie gehen erst für Ende 2022 von einer den Weltbedarf deckenden Produktionskapazität für Covid-19-Impfstofefe der verschiedenen Typen aus. Zusätzliche Produktionsstätten speziell für mRNA-Impfstoffe, deren Aufbau Erfahrungswerten zufolge zwischen 4 und 9 Monaten dauert, könnten also auch jetzt noch einen großen Unterschied in der Bekämpfung der Pandemie machen.

Der Thinktank Public Citizen hat einen Plan über Kosten und Voraussetzungen des Produktionsausbaus, auch mit Blick auf knappe Grundstoffe, vorgelegt und schätzt: Für weniger als 10 Mrd. $ könnten 8 Mrd. zusätzliche BioNTech-Impfdosen binnen eines Jahres hergestellt werden.

Voraussetzung wäre ein schneller, gebündelter Technologietransfer: 19 Hersteller aus Afrika, Asien und Lateinamerika haben bereits ihr Interesse angemeldet, im Rahmen des von der Weltgesundheitsorganisation vorgeschlagenen – und jüngst vom EU-Parlament unterstützten – Technologietransferknotens, in die mRNA-Impfstoffproduktion mit einzusteigen, der die Qualifizierung von Herstellern effizient ermöglichen würde. Auch über die Covid-19-Pandemie hinaus betont die WHO den Nutzen der aufgebauten Produktionskapazitäten, die ohne Änderung der Produktionslinien schnell an die Herstellung von Impfstoffen gegen neue Pandemien anpassbar wären und bei weiteren Forschungserfolgen womöglich auch gegen Malaria, HIV oder Krebs eingesetzt werden könnten.

Besonders in den USA wirbt Public Citizen für den Einsatz des Defense Production Acts und der Zusammenarbeit von NIH und Moderna, um in globalem Rahmen den Ausbau der Produktion des Moderna-Impfstoffes voranzubringen und den Technologietransfer zu ermöglichen. Doch auch für Deutschland als Entwicklungsstandort der mRNA-Impfstoffe von BioNTech und CureVac ruht eine besondere globale Verantwortung für den globalen Ausbau der mRNA-Impfstoffproduktion.

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